Ein Herz für die regionale Wirtschaft

Heiko Paelecke

 

Der Fall der Grenzen zwischen beiden deutschen Staaten im Oktober 1989 kam für Heiko Paelecke eher überraschend. Er war mit seinem Studium der Außenwirtschaft in Berlin fast fertig, seine Tochter gut ein halbes Jahr alt und seine Frau war als Ärztin gerade im Praktikumsjahr. Da hatte die junge Familie alle Hände voll zu tun. Es gab wenig Zeit, große Pläne zu schmieden.

Die Diplomarbeit von Heiko Paelecke beschäftigte sich mit dem größten Betrieb in Magdeburg, dem SKET. Es ging um den Export von Walzwerksanlagen, die in alle Welt, in den Osten wie den Westen, verkauft wurden. Die Ausbildung war bestens, sprachlich versiert wusste der junge Absolvent gut, wie Export in beiden Systemen funktioniert. Trotzdem blieb die Frage nach einer Zukunft in unsicheren Zeiten. Wird das Riesenkombinat weiter existieren, ist hier eine Laufbahn möglich? Nach seinemn Start im SKET wechselt Heiko Paelecke in das Euro Info Centre, das zu diesem Zeitpunkt von der Handwerkskammer Magdeburg geführt wurde. Das EIC, so die Kurzform, koordinierte die Zusammenarbeit kleiner und mittelständischer Unternehmen im europäischen Wirtschaftsraum, war Teil eines europäischen Netzwerks der beteiligten Staaten.

„Hier konnte ich meine Kenntnisse aus dem Studium gut verwerten, konnte beraten und unterstützen. Aber ich wollte anpacken, selbst Dinge bewegen“, so Heiko Paelecke.

Zu diesem Zeitpunkt suchte die Norddeutsche Landesbank, kurz Nord LB, dringend gut ausgebildete junge Leute. Das alles traf auf den jungen Familienvater zu. Er durchlief etliche Stationen innerhalb der Nord LB an mehreren Standorten und erinnert sich heute noch gut an eine Praktikumsarbeit, die sich mit der Einbeziehung von Frauen in die Bankenwelt beschäftigte.

„Ich habe da einfach aus meinen Erfahrungen als junger Familienvater geschöpft, über das System von Kitas und Kindergärten als Voraussetzung für Arbeitsangebote für Frauen geschrieben. Das war gelebte Erfahrung. Dabei wurde mir bewusst, dass man positive Erfahrungen zusammenführen muss, was dann wieder allen nutzt.“ Kurze Zeit später erhielt Heiko Paelecke das Angebot, die Nord LB in Magdeburg mit zu unterstützen, hier im Firmenkundengeschäft seine Kenntnisse und Erfahrungen einzusetzen. In dieser Funktion begegneten ihm unter anderem die bekannten großen Industriefirmen wieder.

„Wir alle hatten ein Ziel: Die Wirtschaft im Osten mit zu finanzieren, sie wieder auf die Beine zu bringen. Mir ging es ganz persönlich darum, die Möglichkeiten der Bank in die Entwicklung des Heimatbundeslandes einzubringen. Diese Anpack-Mentalität brauchen wir heute wieder.“ Als einer der beiden Geschäftsführer der Bürgschaftsbank und der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft seit 2012 kann er diesen Gedanken und den Willen dazu umsetzen. Die bb und die mbg, so die Kurzformen, sind Selbsthilfeorganisationen der Deutschen Wirtschaft. Es geht um Hilfe für fehlende Sicherheiten im Mittelstand, mit dem die Geschäftsbanken dann weitgehend vom Risiko einer Kreditausreichung entlastet werden und um die Bereitstellung von Beteiligungskapital. Und Risiken spielen in der Wirtschaft derzeit wieder eine große Rolle, wie Heiko Paelecke erläutert, „aber dafür sind wir ja da“.

Rückblickend auf die 35 Jahre Deutscher Einheit ist Heiko Paelecke dankbar für die Entwicklung, die ihm und seiner Familie die Türen öffnete und die Chance gab, das Leben in Freiheit und Glück zu gestalten.

Der Geschäftsführer der Bürgschaftsbank ist optimistisch, dass die Wirtschaft in Magdeburg sich so erfolgreich wie bisher entwickelt. Die ganz großen Unternehmen des Schwermaschinenbaus sind weg, doch etliche gut aufgestellte Mittelständler sind entstanden. Das ist ein breites Fundament für die weitere Entwicklung der Wirtschaft, wie auch für die Stadt selbst, die in den zurückliegenden Jahren ebenfalls zu neuer, grüner Schönheit gefunden hat.


Magdeburg hat seine ganz eigene Identität gefunden

Guido Nienhaus

 

Guido Nienhaus ist im Münsterland, direkt an der holländischen Grenze, geboren. Zur Wende 1989 hat er gerade Abitur gemacht und aufgrund seines Alters sowie der Entfernung zur innerdeutschen Grenze spielte der Osten für ihn bis dahin kaum eine Rolle. Nach seinem Studium in Münster führte ihn allerdings gleich sein erster Job nach Magdeburg. Als er im November 1995 zu seinem Vorstellungsgespräch in die Stadt kam, war er schon etwas geschockt: „Es war ein grauer Novembertag und die Alte Neustadt war damals wirklich nicht schön.“ Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, am 1. Januar 1996 bei den Städtischen Werken Magdeburg im Controlling anzufangen und Ende 1997 die MDCC mitzugründen. Seitdem ist er Geschäftsführer des Magdeburger Telekommunikationsanbieters und auch ansonsten überaus aktiv in der Stadt.

Das ist wohl auch einer der Gründe, warum er mit der Ost-West-Diskussion nicht viel anfangen kann: „Ich bin zwar im Westen geboren, habe doch mein gesamtes Berufsleben im Osten verbracht.“ Aufgrund seines Engagements auch über den Job hinaus ist er hier komplett angekommen. Dabei ist er in vielen Bereichen aktiv – von der Arbeit in seiner Gemeinde über diverse Sportvereine bis zur Kunst- und Kulturszene. „Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und eine Stadt braucht viele Facetten.“ Unter diesem Credo hat er die Entwicklung Magdeburgs von Anfang an mitgestaltet. „Hier war einfach ganz viel möglich und ich wollte mich immer mit einbringen.“ So hat er nicht nur seine beruflichen Chancen ergriffen und ein überaus erfolgreiches Unternehmen aufgebaut, sondern auch seine ganz persönlichen Möglichkeiten genutzt, um ein Teil der Stadt und damit ein echter Magdeburger zu werden.

Dabei ist Magdeburg für ihn ein sehr gutes Beispiel für die Entwicklung in Ostdeutschland. „Hier wurde in den letzten 30 Jahren das Geld gut investiert, sodass sich die Stadt grundlegend verändert hat.“ Heute ist Magdeburg als moderne, lebendige und grüne Stadt an der Elbe kaum noch wiederzuerkennen. Um dieses Potential weiter auszubauen, ist jetzt jedoch ein Umdenkprozess notwendig, ist sich Niehaus sicher. „Wir können nicht immer nur noch höher, weiter, besser, sondern wir müssen auch das, was wir haben, instand halten.“ Seine Mutter hatte dazu einen ganz besonderen Leitspruch: „Schön machen ist nicht schwer, aber schön behalten schon.“ In diesem Sinne ist es jetzt wichtig, das Geschaffene zu festigen, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Das gilt für marode Brücken und Kulturbauten, aber auch für gesellschaftliche Strukturen und Vereine. „Dafür bedarf es eines stetigen Prozesses sowohl infrastrukturell als auch in der Stadtgesellschaft.“ An diesem Punkt wird sich entscheiden, wie sich Magdeburg in den nächsten 30 Jahren weiterentwickeln wird.

Auf diesem Weg sieht Nienhaus auch kein Manko in dem Stempel Ostdeutschland: „Genauso wie die Norddeutschen stolz auf ihre Heimat sind oder sich die Bayern sehr stark über ihre Herkunft identifizieren, so können auch wir stolz darauf sein, uns als Ostdeutsche zu platzieren und ein neues Selbstbewusstsein daraus zu entwickeln. Gerade diese Unterschiede machen doch unser vereintes Deutschland aus.“ Er lebt zumindest sehr gern hier und hat seine damalige Entscheidung, in den Osten zu gehen, nie bereut. Dabei hat Magdeburg alles, was eine lebenswerte Stadt ausmacht – die perfekte Größe, um sich noch zu kennen und mitgestalten zu können, attraktive Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie tolle Sportvereine, um selber aktiv zu werden oder mit ganzem Herzen mitzufiebern. Für ihn ist „Magdeburg einfach schön“. Zudem hat die Stadt eine extrem hohe Lebensqualität, mit der nicht viele Städte mithalten können. „Wenn wir es jetzt schaffen, die Rahmenbedingen für die Wirtschaft noch weiter zu verbessern und unsere Stärken mit den hier ansässigen Wissenschaftseinrichtungen zu nutzen, dann haben wir beste Voraussetzungen für eine positive Zukunft.“ Das gilt auch für die Stadtgesellschaft, die trotz aller Unterschiedlichkeiten fest zusammenhält – spätestens beim nächsten Weihnachtssingen.